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Woher kommt der Begriff „profeministisch“?

Als Ende der 60er Jahre die „zweite Welle“ der Frauenbewegung in Deutschland an die Öffentlichkeit trat, schleuderte sie ihren Genossen die Parole „Das Private ist politisch“ mit einer Tomate an den Kopf. „Genosse […], du bist objektiv ein Konterrevolutionär […]“. Im ständigen Kampf gegen ihre Genossen brach sie den Lack patriarchaler Denkschemata auf, und forderte eine Umwälzung dessen, was Männer unter revolutionärem Kampf verstanden – und heute noch verstehen. Dieser vermeintliche Kampf, welcher sich im Großen und Ganzen hinter theoretischen Gedankenmonumenten versteckt/e und mit einem ökonomistisch verengten Materialismus argumentiert wurde/wird, hat/te das Ziel, im „Privaten“ weitermachen zu können wie bisher. Denn nichts braucht ein Mann mehr, als nach getaner revolutionärer Arbeit in das „häusliche“ Naherholungsgebiet der Hege und Pflege einer oder mehrerer Liebesbeziehungen zurückkehren zu können, frei von gesellschaftlichen Widersprüchen und politischer Frustration. Die Abwehrmechanismen gegen feministische Kritik und kritische Patriarchats-Analyse, das Lächerlichmachen von Politik aus Frauenperspektive und die Angst vor selbstbewussten Genossinnen mögen sich im Laufe der Jahre teilweise in ihrem Ausdruck verändert haben, dennoch sind sie in unserem politischen Alltag omnipräsent. Und manchmal fragt Mann sich, ob unsere (fetischhafte) Fixierung auf den Kampf gegen das Kapital einem Leidensdruck entspringt, aus einem tiefen Empfinden der Ungerechtigkeit eines Herrschaftssystems herrührt, oder ob sie sich nicht doch (auch) aus einem gekränkten Ego speist, aus der Enttäuschung, nicht „on top“ in der kapitalistisch-patriarchalen Hierarchie mitmischen zu können. Und so scheint auch manche Antifa-Aktion primär dem Ausagieren männlicher Konkurrenz und Dominanz zu dienen. Das Patriarchat bleibt einstweilen die fortwährende Randnotiz, das „Andere“ neben dem Kapitalismus, wenn es nicht sogar, was derzeit wieder schwer in Mode ist, vollends für tot erklärt wird, um dem eigenen revolutionären Selbstbild keinen Abbruch zu tun. „Das Private ist politisch“ stellt, ernst genommen, eine immanente Gefahr für das „männliche Ich“ dar. Es deckt die gesellschaftliche Dimension auf, die in der Herrschaft durch das Individuum zu Tage tritt. Doch „das Private ist politisch“ heißt nicht, nur die Strukturen in sich zu erkennen, die eigene Reproduktion der gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu reflektieren, sondern auch, dass das Individuum auf gesellschaftlicher Ebene verhandelt und ein gesellschaftlicher Umbruch erkämpft werden muss, um das Individuum von (inneren) Herrschaftszwängen zu befreien.

Die „zweite“ Frauenbewegung war zu einer Gegenmacht geworden und so kamen auch die Genossen nicht umhin, in die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Machtposition zu gehen. Einige wenige „ganz strebsame“ gründeten profeministische Männerzusammenhänge, Zeitungen und Gruppen. Sie versuchten sich an einer Reflexion ihrer Männlichkeit, um basierend auf feministischen Analysen eigene männlichkeitskritische Theorien zu entwickeln.

Die Autonome Bewegung erlitt einen Zerfallsprozess und auch die Frauenbewegung zerfiel bzw. wurde im gesellschaftlichen Backlash zerfallen. Der Druck wurde so von den Genossen und der doch eh recht überschaubaren männerkritischen Szene genommen, sich solidarisch weiter und tiefer am antipatriarchalen Kampf zu beteiligen. Dass heute in der linken Szene eine deutliche Männerdominanz herrscht, die Themenbestimmung und Politikstil vorgibt und Genossinnen zusehends herausdrängt, zeigt, wie rasant Errungenschaften revolutionärer Kämpfe auch in den Bereichen der Gesellschaft, die sich als radikal sehen, zurückgedrängt werden können.